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. Streifzüge . Musikschule Bochum . 2000 .
Plakat Impressionen aus der Ausstellung Pressemitteilung

Einführung zur
Eröffnung am
4. November 2000 von
Dr. Ulrike Herrmann

Gabriele Peters hat für Ihre hier gezeigte, erste Einzelausstellung Bildsequenzen ausgewählt, die sich mit dem Thema Struktur beschäftigen.

Dabei steht nicht nur Inhaltliches oder Formales im Vordergrund sondern auch Empirisches, nämlich unsere Wahrnehmung. So bieten die unspektakulären, dennoch sehr eindrucksvollen Fotos mit ihren Details und in ihrer Zusammenstellung ungewohnte An- und Einsichtsmöglichkeiten. Man wird sich bei ihrer Betrachtung schnell bewusst, dass die Arbeiten etwas an sich haben, was zum Verweilen und zum intensiven Hinsehen verleitet. Dieser Eindruck entsteht nicht aufgrund einer Hochglanzästhetik, die bei Fotos oft eine Art Eyecatcher-Effekt hat und meist mehr verspricht als bietet. Er entsteht eher dadurch, dass die Fotografien auf den ersten Blick nicht zu erfassen sind und in ihrer Darstellungs- und Präsentationsform von der Betrachterin und vom Betrachter eine kombinatorische Anschauungsleistung fordern.

Die ausgestellten Dreier-Sequenzen bestehen jeweils aus einer kleinen und zwei großen Aufnahmen. Die kleinste Arbeit bietet dabei den größten Ausschnitt, die beiden großen Fotos zeigen dagegen Detailansichten, die durch die Makroperspektive, die Ausschnittwahl und das Format einen nahezu monumentalen Stellenwert gegenüber ihrem kleinen Bild einnehmen. Die visuelle und interpretatorische Verbindung zwischen den einzelnen Fotografien muss vom Betrachtenden geleistet werden. Dabei wird relativ schnell deutlich, dass sich die Detailansichten aus den kleinen Überblicksdarstellungen rekrutieren. Das ist aber auch schon alles, was sich bei einer ersten Betrachtung erschließt. Wo die Motive herstammen, ob die Zebras im Zoo oder auf Safari aufgenommen wurden, ob es sich bei den Pflanzenaufnahmen vielleicht "nur" um Reprofotografien aus einem gut bebilderten Botanik-Werk handelt oder ob sie in der Natur aufgenommen wurden und wann die Fotos gemacht worden sind, wird nicht deutlich. Die Motive erscheinen vielmehr zeit- und ortslos. Die räumliche Perspektive und Anhaltspunkte aus der Umgebung sind stark zurückgenommen. Anstatt die inhaltlichen "W-Fragen" zu klären und sich der Präsentation des Motivs unterzuordnen, führen die Fotos zu ganz anderen Erkenntnissen, nämlich dazu, wie vielfältig das visuelle Erkennungsspektrum ist, das Tier-, Pflanzen- und Architekturaufnahmen bieten können. Gabriele Peters fotografische Sichten initiieren letztlich eine außergewöhnliche Ausdehnung des normalen Gesichtssinns. Sie bereichern unsere visuelle Erfahrung, brechen eingeschliffene Wahrnehmungskonventionen auf und erweitern unseren Horizont.

Dabei erscheint die Darstellungsmethode der Fotografin der Dokumentarfotografie verhaftet zu sein. Die gleichmäßige Bildschärfe, die formatfüllenden Motivansichten - die alles "Nebensächliche" außen vorlassen -, die detailgenauen Makroansichten und die dem Dokumentarischen stärker verhaftete Schwarzweiß-Fotografie lassen ihre Arbeiten wissenschaftlich-analytisch wirken. Sie stehen letztlich in der Tradition der sachlich-dokumentarischen Fotografie der 20er Jahre und der Konzeptfotografie, die in den 70er und 80er Jahren gerade in Deutschland wichtige Impulse bei der Stabilisierung des fotografischen Mediums als ästhetischer Ausdrucksform setzten. Gabriele Peters Darstellungsform ist aber nicht nur sachlich, sie ist zugleich auch manipulativ, obwohl sie das gerade nicht zu sein scheint. So isoliert sie die gezeigten Objekte völlig aus ihrem Kontext und klammert räumliche und das Größenverhältnis betreffende Hinweise weitgehend aus. Diese "künstliche" Isolation überhöht die Motive. Fell- und Blattstrukturen wirken dadurch wie autonome, selbstreferentielle Anschauungsobjekte, die vom Ausgangsmotiv unabhängige Assoziationen und Phantasien hervorrufen. Anhand der Überschreitung des Dokumentationscharakters wird deutlich, dass die Fotografien zwar kausal mit den Dingen der Welt, auf die sie referieren, verbunden, nicht aber mit ihnen im Verhältnis 1:1 gleichzusetzen sind. Fotografische Abzüge zeigen nicht die Welt an sich, sondern eine Interpretation von ihr. In Fotoaufnahmen steht zwischen Welt und Betrachterin bzw. Betrachter die Kamera und die individuelle Persönlichkeit der Fotografin. Diese Realitätsdifferenz und die Ambivalenz zwischen Objektivität und Subjektivität sind dem fotografischen Medium von Grund auf eigen. Gabriele Peters hat diese wesentliche Problematik in die hier gezeigten Arbeiten subtil einbezogen.

Die sequenzartige Präsentation ihrer Fotos mit der durchgängigen Dreierstruktur führt zudem zu einer Betonung der formalen Aspekte der Motive. Dabei werden ungewohnte Sichten auf die uns vermeintlich bekannten Darstellungsobjekte zutage gefördert. Das Zebrafell erscheint nicht nur mehr gestreift sondern auch höchst individuell in seiner Haarstruktur, in der auf einmal Wirbel und unregelmäßige Farbverläufe deutlich werden, die in dieser Form eine ganz eigene Ästhetik entwickeln. Und die Blattstruktur der Sukkulenten ergibt im Detail eine abstrakte Struktur, die ohne den Kontext der dazugehörigen Aufnahmen, nicht mehr eindeutig zugeordnet werden kann und eine losgelöste Bildlichkeit aufweist. Die perspektivische Nähe der Makroaufnahmen schafft letztlich eine die Erkenntnis und das Begreifen betreffende Distanz. Zudem führt sie zu einer ästhetischen Aufwertung. Damit nobilitiert sie nicht nur das Motiv, sondern sie stellt zugleich die spezielle Bildlichkeit der fotografischen Abzüge heraus. So lassen diese immer wieder durchblicken, dass sie nicht nur etwas anderes darstellen sondern auch eigenständige ästhetische Bilder sind.

Die Fotografien von Gabriele Peters sind letztlich vielschichtig angelegt. Sie verweigern sich einer schnellen Betrachtungsweise, auf die unser Blick durch die alltägliche Bilderflut "geimpft" ist. Stattdessen erweitern sie die Wahrnehmung. Die Vielschichtigkeit unserer Umwelt wird dabei genauso deutlich wie die Mehrdeutigkeit und der individuelle Interpretationsbedarf des uns umgebenden Wahrnehmungsangebots.

Die hier ausgestellten Arbeiten fordern mit ihren abstrakten Anteilen eine aktive Auseinandersetzung, eine lebendige Wahrnehmung, die uns die Chance bietet, uns als tätige Subjekte unserer Wahrnehmung zu empfinden und nicht als Objekte, die einer Flut medialer Angebote hilflos ausgesetzt sind. Die Art und Weise wie die Fotografin in dem Kontext das gestalterische Potenzial der Fotografie und die kreativen Freiräume, die künstlerisch abstrahierende Sichten bieten, nutzt, ist dabei sowohl beeindruckend als auch anspruchsvoll. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt, wenn Gabriele Peters den eingeschlagenen fotografischen Weg weiter verfolgt.


 
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