Gabriele Peters hat für Ihre hier gezeigte, erste Einzelausstellung
Bildsequenzen ausgewählt, die sich mit dem Thema Struktur beschäftigen.
Dabei steht nicht nur Inhaltliches oder Formales im Vordergrund sondern
auch Empirisches, nämlich unsere Wahrnehmung. So bieten die
unspektakulären, dennoch sehr eindrucksvollen Fotos mit ihren Details
und in ihrer Zusammenstellung ungewohnte An- und Einsichtsmöglichkeiten.
Man wird sich bei ihrer Betrachtung schnell bewusst, dass die Arbeiten
etwas an sich haben, was zum Verweilen und zum intensiven Hinsehen
verleitet. Dieser Eindruck entsteht nicht aufgrund einer
Hochglanzästhetik, die bei Fotos oft eine Art Eyecatcher-Effekt hat und
meist mehr verspricht als bietet. Er entsteht eher dadurch, dass die
Fotografien auf den ersten Blick nicht zu erfassen sind und in ihrer
Darstellungs- und Präsentationsform von der Betrachterin und vom
Betrachter eine kombinatorische Anschauungsleistung fordern.
Die ausgestellten Dreier-Sequenzen bestehen jeweils aus einer kleinen
und zwei großen Aufnahmen. Die kleinste Arbeit bietet dabei den größten
Ausschnitt, die beiden großen Fotos zeigen dagegen Detailansichten, die
durch die Makroperspektive, die Ausschnittwahl und das Format einen
nahezu monumentalen Stellenwert gegenüber ihrem kleinen Bild einnehmen.
Die visuelle und interpretatorische Verbindung zwischen den einzelnen
Fotografien muss vom Betrachtenden geleistet werden. Dabei wird relativ
schnell deutlich, dass sich die Detailansichten aus den kleinen
Überblicksdarstellungen rekrutieren. Das ist aber auch schon alles, was
sich bei einer ersten Betrachtung erschließt. Wo die Motive herstammen,
ob die Zebras im Zoo oder auf Safari aufgenommen wurden, ob es sich bei
den Pflanzenaufnahmen vielleicht "nur" um Reprofotografien aus einem gut
bebilderten Botanik-Werk handelt oder ob sie in der Natur aufgenommen
wurden und wann die Fotos gemacht worden sind, wird nicht deutlich. Die
Motive erscheinen vielmehr zeit- und ortslos. Die räumliche Perspektive
und Anhaltspunkte aus der Umgebung sind stark zurückgenommen. Anstatt
die inhaltlichen "W-Fragen" zu klären und sich der Präsentation des
Motivs unterzuordnen, führen die Fotos zu ganz anderen Erkenntnissen,
nämlich dazu, wie vielfältig das visuelle Erkennungsspektrum ist, das
Tier-, Pflanzen- und Architekturaufnahmen bieten können. Gabriele Peters
fotografische Sichten initiieren letztlich eine außergewöhnliche
Ausdehnung des normalen Gesichtssinns. Sie bereichern unsere visuelle
Erfahrung, brechen eingeschliffene Wahrnehmungskonventionen auf und
erweitern unseren Horizont.
Dabei erscheint die Darstellungsmethode der Fotografin der
Dokumentarfotografie verhaftet zu sein. Die gleichmäßige Bildschärfe,
die formatfüllenden Motivansichten - die alles "Nebensächliche" außen
vorlassen -, die detailgenauen Makroansichten und die dem
Dokumentarischen stärker verhaftete Schwarzweiß-Fotografie lassen ihre
Arbeiten wissenschaftlich-analytisch wirken. Sie stehen letztlich in
der Tradition der sachlich-dokumentarischen Fotografie der 20er Jahre
und der Konzeptfotografie, die in den 70er und 80er Jahren gerade in
Deutschland wichtige Impulse bei der Stabilisierung des fotografischen
Mediums als ästhetischer Ausdrucksform setzten. Gabriele Peters
Darstellungsform ist aber nicht nur sachlich, sie ist zugleich auch
manipulativ, obwohl sie das gerade nicht zu sein scheint. So isoliert
sie die gezeigten Objekte völlig aus ihrem Kontext und klammert
räumliche und das Größenverhältnis betreffende Hinweise weitgehend
aus. Diese "künstliche" Isolation überhöht die Motive. Fell- und
Blattstrukturen wirken dadurch wie autonome, selbstreferentielle
Anschauungsobjekte, die vom Ausgangsmotiv unabhängige Assoziationen
und Phantasien hervorrufen. Anhand der Überschreitung des
Dokumentationscharakters wird deutlich, dass die Fotografien zwar
kausal mit den Dingen der Welt, auf die sie referieren, verbunden,
nicht aber mit ihnen im Verhältnis 1:1 gleichzusetzen sind.
Fotografische Abzüge zeigen nicht die Welt an sich, sondern eine
Interpretation von ihr. In Fotoaufnahmen steht zwischen Welt und
Betrachterin bzw. Betrachter die Kamera und die individuelle
Persönlichkeit der Fotografin. Diese Realitätsdifferenz und die
Ambivalenz zwischen Objektivität und Subjektivität sind dem
fotografischen Medium von Grund auf eigen. Gabriele Peters hat diese
wesentliche Problematik in die hier gezeigten Arbeiten subtil
einbezogen.
Die sequenzartige Präsentation ihrer Fotos mit der durchgängigen
Dreierstruktur führt zudem zu einer Betonung der formalen Aspekte
der Motive. Dabei werden ungewohnte Sichten auf die uns vermeintlich
bekannten Darstellungsobjekte zutage gefördert. Das Zebrafell
erscheint nicht nur mehr gestreift sondern auch höchst individuell
in seiner Haarstruktur, in der auf einmal Wirbel und unregelmäßige
Farbverläufe deutlich werden, die in dieser Form eine ganz eigene
Ästhetik entwickeln. Und die Blattstruktur der Sukkulenten ergibt
im Detail eine abstrakte Struktur, die ohne den Kontext der
dazugehörigen Aufnahmen, nicht mehr eindeutig zugeordnet werden kann
und eine losgelöste Bildlichkeit aufweist. Die perspektivische Nähe
der Makroaufnahmen schafft letztlich eine die Erkenntnis und das
Begreifen betreffende Distanz. Zudem führt sie zu einer ästhetischen
Aufwertung. Damit nobilitiert sie nicht nur das Motiv, sondern sie
stellt zugleich die spezielle Bildlichkeit der fotografischen Abzüge
heraus. So lassen diese immer wieder durchblicken, dass sie nicht
nur etwas anderes darstellen sondern auch eigenständige ästhetische
Bilder sind.
Die Fotografien von Gabriele Peters sind letztlich vielschichtig
angelegt. Sie verweigern sich einer schnellen Betrachtungsweise, auf
die unser Blick durch die alltägliche Bilderflut "geimpft" ist.
Stattdessen erweitern sie die Wahrnehmung. Die Vielschichtigkeit
unserer Umwelt wird dabei genauso deutlich wie die Mehrdeutigkeit
und der individuelle Interpretationsbedarf des uns umgebenden
Wahrnehmungsangebots.
Die hier ausgestellten Arbeiten fordern mit ihren abstrakten Anteilen
eine aktive Auseinandersetzung, eine lebendige Wahrnehmung, die uns
die Chance bietet, uns als tätige Subjekte unserer Wahrnehmung zu
empfinden und nicht als Objekte, die einer Flut medialer Angebote
hilflos ausgesetzt sind. Die Art und Weise wie die Fotografin in dem
Kontext das gestalterische Potenzial der Fotografie und die kreativen
Freiräume, die künstlerisch abstrahierende Sichten bieten, nutzt, ist
dabei sowohl beeindruckend als auch anspruchsvoll. Ich bin gespannt,
was die Zukunft bringt, wenn Gabriele Peters den eingeschlagenen
fotografischen Weg weiter verfolgt.